Expertengruppe fordert mehr Mitspracherecht für Brustkrebspatientinnen

Die Lebensqualität der MBK-Patienten, ihrer Familien und Pfleger sollen verbessert werden. [Gerald Geronimo/Flickr]

Dieser Bericht ist Teil unserer Artikelserie zum Thema metastasierter Brustkrebs

Eine Expertengruppe zum Thema metastasierter Brustkrebs hat die Gesetzgeber dazu aufgerufen, Krebspatienten mehr Möglichkeiten und Mitspracherecht bei Behandlung und Pflege zu geben, um somit die Lebensqualität der Patienten, ihrer Familien und Pfleger zu verbessern.

Brustkrebs ist die am häufigsten auftretende Krebserkrankung bei Frauen – und nach Lungenkrebs die zweithäufigste insgesamt. Jedes Jahr sterben mehr als 90.000 Frauen in der EU an Brustkrebs.

Bei etwa einem Drittel der Patientinnen entwickeln sich im Laufe der Erkrankung Metastasen, die auf andere Körperteile übergreifen. Für Krebspatientinnen, bei denen sich metastasierter Brustkrebs (MBK) entwickelt, liegen die Überlebenschancen bei unter 20 Prozent.

„Wir brauchen dringend Politikinitiativen für die Prävention sowie die frühzeitige Erkennung von Krebs, um Leben zu retten, Sozialkosten einzudämmen und diese immer weiter wachsende Krankheit zu bekämpfen,“ sagte MEP Daciana Sarbu, die auch im Parlamentsausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sitzt, gegenüber EURACTIV.com.

Eine Expertengruppe, deren Mitglieder Ärzte, Krankenpfleger und Wissenschaftler umfassen, ruft die Gesetzgeber mit ihrer im Oktober veröffentlichten ”Policy Roadmap” dazu auf, ein ganzheitliches System zur Unterstützung von Patientinnen und Pflegenden in ihrem Alltag während der MBK-Behandlung zu entwickeln.

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Gut informierte Entscheidungen

Es sei für MBK-Patientinnen normal, sich aufgrund ihrer körperlichen Verfassung und den Behandlungsoptionen machtlos zu fühlen. Diese Situation könne aber durch eine Gesundheitspolitik, die die Patienten aktiv in Entscheidungen einbezieht, die ihr eigenes Leben betreffen, erheblich verbessert werden, so die Experten.

Laut Bericht wollen 63 Prozent der Patientinnen aktiv in Entscheidungen über ihre Behandlung eingreifen – und der Anteil der Patientinnen, die dies angeben, wachse kontinuerlich.

Verbesserter Zugriff auf Informationen und professionelle Beratung über die Risiken, Vorteile und Unsicherheiten der einzelnen Behandlungsmethoden würden MBK-Patientinnen befähigen, gut informierte Entscheidungen zu treffen, die ihrer jeweiligen Lebenssituation am ehesten entsprechen.

Weiter wird gefordert, die Initiative der Europäischen Kommission zu Brustkrebs (ECIBC) solle sich ausdrücklich mit den Bedürfnissen von Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs widmen und besondere Vorkehrungen treffen. Bei dieser Entscheidungsfindung könnten auch die Pflegenden eine wichtige Rolle spielen, so Claire Champeix von Eurocarers, dem europäischen Verband pflegender Angehöriger, gegenüber EURACTIV.

Auch im Expertenbericht heißt es, man müsse „mit wichtigen Stakeholdern zusammenarbeiten, um Entscheidungshilfen sowohl für MBK-Patientinnen als auch für ihre pflegenden Angehörigen zu finden.“

Weiter werden die nationalen Gesundheitsbehörden aufgerufen, Ärzte und Gesundheitsdienstleister dahingehend zu schulen, dass sie die gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Patientinnen umsetzen. Dazu verpflichtet haben sich bereits die European Society for Medical Oncology (ESMO) sowie die American Society of Clinical Oncology (ASCO).

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Work-Life-Balance

„Da MBK eine langwierige Krankheit sein und viele Elemente einer chronischen Erkrankung enthalten kann, gibt es MBK-Patientinnen, die nach wie vor ein aktives Berufsleben haben,” heißt es in der Policy Roadmap.

Allerdings hätten die Patientinnen oftmals Probleme, die Arbeit mit ihren Pflegebedürfnissen zu vereinbaren. Außerdem hätten viele von ihnen Angst, ihre Vorgesetzten über die Erkrankung zu informieren. Laut Bericht kann sich dadurch – zusätzlich zu den ohnehin dramatischen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patientinnen selbst – auch der Druck auf pflegende Angehörige erhöhen.

„Wir müssen die Gesundheits-Unterschiede zwischen den EU-Ländern angehen. Es ist dabei auch wichtig, dass die Europäische Kommission Richtlinien für Unternehmen erarbeitet, mit denen Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie das Risiko des Jobverlusts für MBK-Patientinnen begrenzt werden kann,“ so MEP Daciana Sarbu.

Die MBK-Stakeholder notierten auch, die Kommission könne auf die Europäische Säule sozialer Rechte zurückgreifen, um sicherzustellen, dass die EU-Staaten Angestellte in solch schwierigen Situationen adäquat schützen. Mit einer entsprechenden Rahmenpolitik müssten gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, faire Arbeitsbedingungen sowie sozialer Schutz und Inklusion für alle EU-Bürger garantiert werden.

Während die Europäische Säule sozialer Rechte also die Lebensumstände von MBK-Patientinnen erheblich verbessern könnte, weist die Roadmap zusätzlich darauf hin, dass die Arbeit von pflegenden Angehörigen auch berücksichtigt werden muss. Sie müsse formalisiert werden, sodass Angehörigen ebenfalls adäquater Sozialschutz und Anerkennung für diese Arbeit zugebilligt wird.

Unterstützung für pflegende Angehörige verankern

Die Pflege von MBK-Patientinnen wird häufig auf informeller Basis, von Familienangehörigen oder anderen der Patientin nahestehenden Personen, geleistet. Diese informellen Pflegenden erhalten dafür normalerweise keine finanzielle Vergütung und müssen häufig ihre eigenen Leben komplett umstellen, um die benötigte Hilfe leisten zu können. Das schließt auch finanzielle Bürden ein.

„Viele informell Pflegende müssen ihre eigene Arbeitszeit verkürzen und manchmal sogar ihre Jobs aufgeben, um die Pflegeverantwortung für jemanden mit einer schweren und langwierigen Erkrankung übernehmen zu konnen,“ heißt es auch in der Policy Roadmap.

„Verwandte sollten Entscheidungsmöglichkeiten darüber haben, wieviel und welche Art der Pflege sie übernehmen können und wollen. Außerdem sollten sie für ihre Pflegedienste unterstützt werden,” fügt Claire Champeix hinzu.

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Tatsächlich ist eine solche Unterstützung und Anerkennung der Pflegenden in den meisten Ländern nicht gegeben. „Pflegende Angehörige müssen durch die formelle Anerkennung ihrer Pflegetätigkeit, durch Informationen, Hinweise und Beratung, Trainings, Flexibilität am Arbeitsplatz, finanzielle Kompensation sowie Zugang zu qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Langzeit-Pflegediensten unterstützt werden,” fordert Champeix.

Vielen Experten gilt dabei Österreich als Paradebeispiel, dem andere europäische Gesetzgeber folgen sollten. Dort haben informell Pflegende ein Recht auf Trainings, finanzielle Unterstützung und auf Erholungszeit unter dem nationalen Arbeitsgesetz.

In den Gesundheitsdebatten auf nationaler Ebene sollten nun vermehrt die Pflegeverbände einbezogen werden, fordert die Policy Roadmap. Informelle Pflege solle offiziell anerkannt werden und die Regierungen der Nationalstaaten sollten konkrete Unterstützung bieten, indem sie die Prinzipien der Europäischen Säule der sozialen Rechte umsetzen.

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